Wasser lenken – Wasser leben:
Von der mittelalterlichen Maulbronner Wasserwirtschaft zur Schwammstadtregion der Zukunft
An der Wasserscheide zwischen Enz und Saalbach erhebt sich das Zisterzienserkloster Maulbronn, ein Meisterwerk mittelalterlicher Ingenieurskunst und UNESCO-Weltkulturerbe. Die Mönche, die hier seit dem 12. Jahrhundert lebten und wirkten, hinterließen nicht nur ein spirituelles und kulturelles Erbe, sondern auch ein wasserwirtschaftliches Vermächtnis, das in Zeiten des Klimawandels aktueller denn je erscheint. Ihr klug durchdachtes Bewässerungs- und Entwässerungssystem war Ausdruck einer tiefgreifenden ökologischen Einsicht: Wasser ist kein unerschöpfliches Gut, sondern eine zu lenkende Lebensquelle.es wahr zu nehmen und sich
Die hydrologische Intelligenz der Zisterzienser
Die Mönche nutzten die topografische Besonderheit der Wasserscheide, um ein verzweigtes System aus Gräben, Teichen, Kanälen und Wasserrädern zu entwickeln, das nicht nur der Bewässerung und Fischzucht diente, sondern auch die Energieversorgung sicherstellte. Durch das Anlegen von Stau- und Speicherteichen konnten sie den Wasserfluss regulieren, Hochwasser abschwächen und in Dürreperioden Wasserreserven nutzen – ein frühes Beispiel adaptiver Wasserwirtschaft https://www.kloster-maulbronn.de/wissenswert-amuesant/dossiers/wasserwirtschaft.
Diese nachhaltige Form der Ressourcenbewirtschaftung stand in enger Verbindung mit der klösterlichen Lebensführung: Demut, Vorausschau und Kreislaufdenken formten eine Wasserkultur, die auf Langlebigkeit, Resilienz und Effizienz beruhte. Damit wird die Maulbronner Anlage zu einem Vorläufer heutiger Konzepte einer ökologisch verträglichen Wasserinfrastruktur.
Wasserwirtschaft im Zeitalter der Disruption
Der Klimawandel stellt die kommunale Wasserwirtschaft vor fundamentale Herausforderungen. Längere Trockenperioden, intensivere Starkregenereignisse und ein ungleichmäßiger Jahresniederschlag fordern die Resilienz bestehender Systeme heraus. Die wasserwirtschaftliche Planung muss heute integrativ, redundant und adaptiv erfolgen – Eigenschaften, die sich in historischen Systemen wie jenem in Maulbronn bereits angedeutet haben.
Insbesondere urbane Räume stehen im Fokus. Die Versiegelung von Flächen, die Verdichtung des Bauens und der Verlust natürlicher Rückhalteräume verschärfen die Vulnerabilität gegenüber klimatischen Extremen. Die Antwort darauf liegt nicht allein im technischen Ausbau der Kanalnetze, sondern in einem Paradigmenwechsel: Wasser wird nicht mehr als Abfallprodukt, sondern als Ressource im urbanen Stoffwechsel verstanden.
Die Schwammstadt als modernes Narrativ
Hier setzt das Konzept der „Schwammstadt“ an – ein stadtplanerisches Leitbild, das die Fähigkeit urbaner Räume stärkt, Wasser aufzunehmen, zu speichern und zeitlich verzögert wieder abzugeben. Gründächer, Retentionsflächen, offene Wasserläufe, wasserdurchlässige Beläge und bepflanzte Mulden sind Elemente eines Systems, das urbane Wasserströme entschleunigt und gleichzeitig das Mikroklima verbessert.
Die Schwammregion damit steht in ideeller Kontinuität zur Maulbronner Wasserwirtschaft wie sie eine Verbindung zu den Erfordernissen und Technologien der Zukunft schafft: Beide Systeme setzen auf Dezentralität, multifunktionale Nutzung und ökologisches Gleichgewicht. Der entscheidende Unterschied liegt im Maßstab und in der gesellschaftlichen Verankerung – während die Zisterzienser ein klösterlich abgeschottetes Mikrosystem pflegten, ist die Schwammstadt oder -region auf Partizipation, interdisziplinäre Planung und kommunalpolitische Unterstützung angewiesen.
Wasser als Gemeingut neu denken
Die Verbindung von historischer Wasserkunst und zeitgenössischer Klimaanpassung mündet in eine zentrale Erkenntnis: Wasserwirtschaft ist nicht nur eine technische, sondern auch eine kulturelle Aufgabe. Sie verlangt – wie schon im Mittelalter – vorausschauende Planung, integrierte Systeme und eine Ethik der Genügsamkeit.
Das mittelalterliche Erbe zeigt, dass auch kleine Eingriffe große Wirkung entfalten können, wenn sie dem natürlichen Gefüge folgen. In der Kombination mit den Prinzipien der Schwammstadtregion entsteht eine Blaupause für eine resiliente Wasserwirtschaft, die auf Speicherung statt Ableitung, auf Integration statt Isolation und auf langfristige Balance statt kurzfristiger Effizienz setzt.
Fazit: Die Wasserscheiden zwischen Saalbach und Enz bzw. Walzbach werden so nicht nur zur geographischen Trennlinie, sondern zum symbolischen Raum der Verbindung – zwischen Vergangenheit und Zukunft, zwischen mittelalterlicher Wasserbaukunst und moderner Stadtökologie, zwischen Ressourcenschonung und Klimaanpassung.
Wer künftig in und um Bretten unterwegs ist, wandert nicht nur durch eine gewachsene Kulturlandschaft und einen mittelalterlichen Stadtkern, sondern durch ein lebendiges Modell dafür, wie nachhaltige Wasserwirtschaft im 21. Jahrhundert aussehen kann – dezentral, vorausschauend und gemeinschaftlich getragen.
Text: Susanne Hagner, Bretten den 03.06.2025
Bildquelle: Andreas Kieser - Landesarchiv Baden-Württemberg
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